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Demenz

Veröffentlicht am 5. November 2023 um 22:42

TRIGGERWARNUNG: Geht es dir mit dem folgenden Thema NICHT gut, bitte ich dich davon abzusehen diesen Artikel zu lesen. Wir befinden uns im sensiblen Bereich der unter Umständen auch Ängste und Panik auslösen kann.

"Im Kopf sind schwarze Wolken, das Denken fällt so schwer.

Reden, machen, laufen kann ich bald nicht mehr.

Bitte bleibe bei mir, reiche mir deine Hand.

Lass mich nicht alleine im unbekannten Land.

Singe mit mir Lieder, tu was mir gefällt, denn ich bin noch immer Teil von dieser Welt..."

Verfasser unbekannt

 

Demenz

Ein großes und leider sehr weitverbreitetes Krankheitsbild. Ich behaupte, dass fast jeder schonmal damit in Berührung gekommen ist, ob durch Freunde, Familie oder Verwandte. Durch den demografischen Wandel nimmt die Anzahl der an +65 Jahre Demenzerkrankten weiterhin zu und auch aktuelle Zahlen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. zeigen, dass mehr Menschen in einem Alter unter 65 Jahren als bislang angenommen an Demenz erkranken.

Aus meiner eigenen Arbeit mit Menschen, die an Demenz erkrankt sind, weiß ich wie wichtig es ist die Formen der Demenz, als auch die Stadien unterscheiden zu können um den Erkrankten eine bestmögliche Versorgung zu bieten.

Im Folgenden werde ich Fakten über das Krankheitsbild in Kombination mit den beiden häufigsten Formen an sich zusammenstellen und hier und da meine eigenen Erfahrungen und Tipps mit einfließen lassen. Zum Schluss möchte ich auch auf die Angehörigenarbeit eingehen und allen Angehörigen, die diesen Artikel evtl. lesen natürlich auch Anlaufstellen und Gedankengänge mit auf den Weg gegeben. Es ist mir wichtig nicht nur das Krankheitsbild an sich darzustellen, wie es schon 100-Fach im Netz zu finden ist. 

 

Definition

Als Demenz bezeichnet man ein neurologisches Krankheitsbild, das durch den Verlust kognitiver Fähigkeiten gekennzeichnet ist. In späteren Krankheitsstadien kommt es in der Folge zu einem Verlust der Alltagskompetenz und zu einem Persönlichkeitszerfall. Demenz ist in höherem Lebensalter die häufigste Ursache der Pflegebedürftigkeit.

Formen

  • Primäre Demenzen: Alzheimer Demenz (ca. 60 - 70%), Vaskuläre Demenz (häufigste Formen), Frontotemporale Demenz, Lewy-Körperchen-Demenz
  • Sekundäre Demenzen: Hier sind die Ursachen behebbar z.B. Depressionen, Hormonmängel, Tumore

Der Unterschied einer Alzheimer und Vaskulären Demenz ist, dass: Alzheimer verläuft zumeist schleichend, Gedächtnisproblematiken stehen im Vordergrund - bei der vaskulären Demenz treten die Symptome plötzlich auf und werden durch einen Hirninfarkt ausgelöst und variieren somit auch je nach Hirnregion. 

Symptome/Verlauf:

Beginnend treten leichte Gedächtnislücken auf die das Kurzzeitgedächtnis betreffen, oft sind sie gar nicht so einfach abzugrenzen und werden in den meisten Fällen als Altersvergesslichkeit oder Flüssigkeitsmangel wahrgenommen.

Hinzu kommen dann meistens Stimmungsschwankungen, denn die Betroffenen merken, wenn auch nicht immer bewusst, dass etwas nicht stimmt und reagieren erzürnt, wenn sie belächelt oder darauf angesprochen werden.

Im weiteren Verlauf und das ist wie ich finde, dass erste "richtige" Zeichen das einen Hinweis auf die Erkrankung geben kann, ist die Verwendung einer sehr einfachen Sprache: Kurze Sätze, Wiederholungen, Sätze können nicht zu Ende gebracht werden. Hier wird auch langsam das Langzeitgedächtnis in Mitleidenschaft gezogen.

Tipp:

Hast du den Verdacht dein Angehöriger könnte an einer Demenz leiden mache zur Früherkennung den Uhrentest.

Das funktioniert so: Zeiche einen Kreis auf ein Blatt Papier und lass deinen Angehörigen eine von dir gewählte Uhrzeit eintragen (Stunde/Minuten). Schaue in welcher Geschwindigkeit diesen Test absolviert wird und ob das Ergebnis richtig ist (Kleiner Zeiger/Großer Zeiger/Uhrzeit)

Wichtig: Dieser Test dient nur einer ersten Einschätzung, eine ärztliche Untersuchung ist unabdingbar.

Ursache:

In den meisten Fällen sind auf den Grund runter gebrochen neurodegenerative Erkrankungen und/oder Durchblutungsstörungen des Gehirns die Ursache, hier muss man wirklich ganz individuell schauen welche Form der Demenz diagnostiziert wurde.

Behandlung und Hilfe:

An dieser Stelle würde ich gerne auf diese übersichtliche Mindmap des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend verweisen:

behandlungsmoeglichkeiten-data.jpg

Ich möchte auch für alle Angehörigen auf eine Stelle hinweisen, bei der man Hilfe erhalten kann, nämlich bei der "Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V.". Erreichbar sind sie von Montag bis Donnerstag zwischen 9 bis 18 Uhr sowie freitags von 9 bis 15 Uhr unter der folgenden Telefonnummer:

030 - 259 37 95 14.

Beschäftigungsangebote:

Folgende Angebote habe ich aus meinen Erfahrungen heraus zusammengestellt. Im Falle des Falles ist ganz individuell und nach dem Stadium der Demenz zu schauen was einem Menschen Spaß macht und was er umsetzten kann. Der Grad zwischen Über- und Unterforderung muss hier beachtet werden. Achtet bei der Durchführung auf Mimik und Gestik, wenn kein Interesse besteht, ist es völlig ok das Angebot abzubrechen und an anderer Stelle was Neues zu probieren oder das gleiche einfach noch ein zweites Mal zu einer anderen Uhrzeit oder Gemütslage zu versuchen. In gewisser Weiße bedarf es regelrechter Detektivarbeit. 

  • Puppen (Besonders auf Frauen haben Puppen eine ganz besondere fast schon magische Wirkung)
  • Wäsche falten
  • Malen mit Fingerfarben
  • Lieder singen
  • Fotos anschauen (Ganz wichtig ist es hierbei sich Zeit zu nehmen und die Bilder auch mal nah an das Gesicht der Betroffenenperson zu halten)
  • Klopfen (Einen leichten Takt auf dem Tisch vor klopfen und schauen, ob die betroffene Person mit klopft)

Tipp:

Ernährung als Geruchsangebot nutzen. Dementiell erkrankte sind an keine Diät gebunden, eine abwechslungsreiche Ernährung ist empfohlen, also wenn man die früheren Lieblingsgerichte oder Gerichte kennt die der/die Betroffene gerne gekocht/gegessen hat, PERFEKT. Das sollte unbedingt als Erinnerungsangebot genutzt werden.

Hilfsmittel- und Orientierungshilfen:

In diesem Abschnitt schöpfe ich aus meinen Erlebnissen als Pflegefachkraft/beraterin von Familien die mit Menschen die an Demenz erkrankt sind leben.

  • Klare Strukturen und Ordnung durch Wochenplanung, Bildanleitungen
  • Bei Hinlauftendenz (=Wanderverhalten): Apple Airtag, SOS - Armbänder, Haustüralarm, Lichtsysteme
  • Herdsicherung
  • Rauchmelder
  • Treppengitter
  • Für die Nacht, bei gestörtem Tag- Nachtrhytmus: Babyphone, Kontaktmatten
  • Bei Sprachhilfsmitteln bitte ich zu beobachten ob die betroffene Person die Unterstützung einordnen kann oder evtl. Angst durch die sprechende, nicht vorhandene Stimme bekommt

Rechtliches:

Da im späteren Verlauf einer Demenz eine Geschäftsunfähigkeit vorliegt ist eine gesetzliche Betreuung die durch ein Gericht bestellt wird sinnvoll. Als gesetzlicher Betreuer/in können sich auch Angehörige vom Betreuungsgericht bestellen lassen, so sie denn volljährig sind und die Notwendigkeit attestiert wurde. Der Betroffene wird durch einen Sachverständigen zudem zu seinen Wünschen und Vorstellungen befragt. Die Aufgaben können sich auf spezielle Bereiche beziehen wie z.B. Finanzen, Gesundheit oder allumfassend festgelegt werden.

Am Anfang würde ich definitiv erstmal eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung empfehlen. Beides muss nicht notariell beglaubigt werden um gültig zu sein, man geht aber auf Nummer sicher wenn man zum Notar geht.

Zudem sollte ein Pflegegrad bei der Pflegekasse der betroffenen Person beantragt werden.

Weitere Leistungsangebote der Pflegeversicherung bei Pflegegrad (PG):

  • Tagespflege - € je nach PG
  • Ambulante Pflege - € je nach PG
  • Kurzzeit- und Verhinderungspflege - € je nach PG
  • Wohnraumanpassung - bis zu 4.000€ einmalig
  • Entlastungsbetrag - 125€ monatl.

Wertschätzendes Verhalten:

Generell möchte ich noch etwas zu den Verhaltensweisen gegenüber Menschen, die an Demenz erkrankt sind hinzufügen, es sehr wichtig der Person zugewandt mit Blickkontakt und dann langsam und deutlich in extrem vereinfachten Sätzen zu sprechen um mögliche Überforderungen zu vermeiden.

Oft passiert es, dass Menschen mit Demenz grade im Anfangsstadium sehr aufbrausend und unfair ihren Mitmenschen gegenüber werden können. Es werden Familienangehörige des Diebstahls beschuldigt oder zu Unrecht zurechtgewiesen. An dieser Stelle kann man sich einfach der Validation von Naomi Feil bedienen. Man muss sich vor Augen halten das das die Erkrankung und nicht die Person ist, die dort spricht. Man muss lernen sich nicht persönlich angegriffen zu fühlen.

Die Beschuldigung sollte nicht angelehnt werden und man sollte in diesem Fall wertschätzend bleiben. Wenn man z.B. beschuldigt wird den Schlüssel geklaut zu haben kann man ganz einfach den Sachverhalt erstmal wiederholen, um ihn bewusst zu machen: " Du hast den Schlüssel verloren und denkst das ich ihn genommen habe." An diesem Punkt wird die Person schon ruhiger, da sie sich ernst genommen fühlt, im weiteren Verlauf kann man dann anbieten den Schlüssel gemeinsam zu suchen und wenn er wieder da ist, hat sich alles ohne Streit geklärt. Es ist wichtig Menschen mit Demenz ernst zu nehmen, aber es ist genauso wichtig den Zustand anzuerkennen und in gewissen Situationen bedarfsgerecht zu handeln. Das kann ein Drahtseilakt werden, aber mit der Zeit spielt sich der Umgang dann ein.

Validation nach Naomi Feil:

Validation bedeutet „unbedingte Wertschätzung“ und ist eine Kommunikationstechnik, im Umgang mit dementiell erkrankten Menschen. Sie soll das Wohlbefinden und die Autonomie des Dementen durch das Normalitätsprinzip fördern d.h. die subjektive Wirklichkeit des Gegenübers wird so angenommen, wie sie vorherrscht.

Wenn man Validation durchführen möchte, sollte man darauf achten, dass die Angehörigen sich auf die Bedürftige Person einlassen müssen. Sie müssen die Fähigkeit zu Empathie und dazu, Gefühle auszudrücken, mitbringen. Sie müssen in der Lage sein, für die Dauer der Validation eigene Gedanken und Urteile ganz in den Hintergrund zu rücken aber
beim Validieren soll nicht gelogen werden, denn das kann das Vertrauen mindern.

In gewisser Weise führt man krisenbehaftete Gespräche ins Allgemeine um auf andere Themen zu lenken. Etwas Übung gehört dazu, also nicht aufgeben, wenn es die ersten Male nicht funktioniert.

Ich hoffe ich konnte einen kurzen, übersichtlichen Eindruck zum Krankheitsbild Demenz vermitteln. Diese Krankheit und ihr Verlauf ist aufgrund ihrer unterschiedlichen Formen sehr individuell. Ich möchte allen Angehörigen auch noch gerne mit auf den Weg geben das jede Betreuung, jede Pflege ihre Grenzen hat. Es ist OK nicht mehr zu können, es ist OK Verantwortung abzugeben. Wenn die Pflege eines Angehörigen die eigenen Kapazitäten im vollen Umfang erschöpft, bitte ich darum Hilfe anzunehmen und/ oder weitere Schritte  einzuleiten in Richtung einer stationären Wohnform. Dafür muss sich niemand schuldig fühlen, es ist immer gut seine eigenen Grenzen zu kennen. Bei Fragen/ Anregungen kontaktiert mich doch gerne über meinen Menüpunkt "Kontakt", ich freue mich über freundlichen Austausch.

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Kommentare

Jasmin
Vor 6 Monate

In deiner Beschreibung habe ich sofort meine Schwiegermutter und meinen Opa wiedererkannt. Für die Angehörigen ist es oft nicht leicht damit umzugehen. Daher finde ich deine letzten Sätze sehr richtig und wichtig. Man braucht sich nicht schlecht/schuldig fühlen wenn man sich Hilfe holt. Im Gegenteil. Die Situation entspannt sich dadurch für alle.

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